2018 –10 Jahre Bina Mira

Die 12 verschiedenen Theateraufführungen, die uns durch die Woche begleiteten, waren ebenso vielfältig wie die Teilnehmer des Festivals und sie behandelten eine Vielzahl an Themen: Von der Kritik an politischen Gegebenheiten, über Aufrufe zu mehr Toleranz und der Auseinandersetzung mit den persönlichen Schranken im Kopf, bis hin zu traditionellen Tänzen. Die meisten Theater-gruppen bestanden aus Schülern zwischen 14 und 25 Jahren, die Gesamtschulen, Kunstschulen, Berufsschulen, Musikschulen, Gymnasien oder andere Schulformen besuchen. Ebenfalls vertreten waren eine Traditionstanzgruppe aus Tuzla und eine Theatergruppe von Taubstummen aus Banja Luca.

In sechs verschiedenen Workshops zu den Themen Tanz, Theater, Kunst, Musik und Fotografie bot die Arbeit in Kleingruppen und die Kommunikation über künstlerischen Ausdruck einen weiteren Begegnungsraum. Am Ende der Woche wurden die erarbeiteten Ergebnisse der Workshoparbeit im öffentlichen Rum präsentiert. Das gemeinsame Theaterspiel ermöglichte ein gegenseitiges Kennenlernen auf einer besonderen Ebene. Theater als verurteilungsfreier Raum ist ein Anstoß Grenzen zu überwinden und persönliche Unsicherheiten zu lösen. Kommuniziert wurde in Englisch.

Der Veranstaltungsort Tuzla hat ca. 110.000 Einwohner und liegt im muslimisch geprägten Teil Bosnien-Herzegowinas. Da das vom „Aachener Netzwerk für humanitäre Hilfe und interkulturelle Friedensarbeit“ und dem rohestheater der Mies-van-der-Rohe-Schule ins Leben gerufene Theater-festival feierte 2008 seine Premiere in Tuzla, fand auch das zehnjährige Jubiläum dort statt. Anlässlich des Weltfriedenstags am 21.09. wurden 100 Kerzen in einer Lichterkette nach Kapja gebracht, um der 71 Jugendlichen zu gedenken, die am 25.05.1995 einem Granatenangriff während des Balkankriegs zum Opfer fielen. Unterstützt von Teilnehmern des Festivals wurden 650l Kaffee in der größten Kaffeekanne der Welt serviert, was auch zum diesjährigen Motto des Festivals, der Kaffeetasse als Symbol bosnischer Gastfreundschaft, inspirierte.

Während der Stadtführungen durch Tuzla und Banja Luca, einer Stadt in Bosnien-Herzegowina, die im Rahmen eines Tagesausflugs erkundet werden konnte, fielen besonders die eindrucksvollen, renovierten Kirchen und Moscheen auf, die die kulturelle Vielfalt verdeutlichten, die aber auch im Kontrast zu der ärmeren Bevölkerung mit einem hohen Anteil Arbeitsloser, standen. Die politisch kritische Lage Bosnien-Herzegowinas wurde auch an anderen Punkten deutlich: Im Dialog mit anderen Jugendlichen kristallisierten sich stellenweise Tabuthemen heraus, die umgangen wurden (z.B. die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe), außerdem wurden die Grenzen, die durch verschiedene Wirtschaftsräume geschaffen werden, durch den Kontrast zwischen Ost- und Westeuropa deutlich bewusster. Trotzdem konnten ausführliche Gespräche geführt werden,  in denen politische und persönliche Probleme diskutiert wurden, da es im direkten Austausch viele Gemeinsamkeiten gab und viele Hoffnungen und Ziele geteilt wurden. Das eigene Weltbild wurde durch das Entwickeln eines Gefühls für die Konflikte anderer Länder erweitert und durch Gespräche wie durch Theaterstücke mit Offenheit und Toleranz bereichert.

 „Bina Mira“ hat als Bühne des Friedens und der Hoffnung vor allem auch symbolischen Wert. Das Festival ist ein Anfang für mehr Toleranz, Aufklärung und Austausch und bietet Jugendlichen einen vorurteilsfreien Raum, in dem der Frieden ein Stück näher rückt.

Anna Hinz