2013 – Bina Mira

5. Friedenstheaterbegegnung der Jugend in Odzak, Bosnien-Herzegowina, vom 19.-25.09. 2013

Nachdem sich die Türen des Busses in Aachen hinter uns 18 Theatermitgliedern und unserem Spielleiter Eckhard Debour geschlossen hatten, war klar, dass wir so schnell keine Möglichkeit bekommen würden ausgiebige Spaziergänge zu machen. Vor uns standen 27 Stunden Busfahrt, unterbrochen nur von einigen Pausen, in denen weitere Passagiere, darunter auch die 7-köpfige Abordnung von poco*mania aus Grevenbroich, zusteigen konnten. Schon auf der Fahrt machte sich eine besondere Stimmung breit: das ungeduldige Warten und die Vorfreude neue Menschen aus anderen Gegenden und in gewissem Umfang anderen Kulturen kennenzulernen. Auch die anderen Mitfahrer, die zum Teil ihre Familien besuchten oder nach Hause fuhren bekamen etwas von diesem Gefühl mit. So unterhielten wir uns über lange Teile der Fahrtstrecke mit verschiedenen bosnischen Passagieren, die uns von ihren Erfahrungen über Vergangenes und ihre Hoffnungen, Erwartungen und Wünschen an uns, die Jugend auf dem Weg zum Friedenstheaterfestival, berichteten. Nachdem mit der Zeit alle anderen Mitreisenden ihre Zwischenziele erreicht und den Bus verlassen hatten, fuhren wir die letzte Stunde alleine nach Odzak rein. Dort luden wir morgens unser Gepäck aus und checkten in unserer Unterkunft, dem Hotel „Euro“ ein. Nach etwas Zeit zum Beziehen der Zimmer trafen wir und später wieder, um mit Mitgliedern des ortsansässigen Jugendzentrums „Mozaik“ eine Führung durch das beschauliche Städtchen Odzak zu machen. Bei unserem Rundgang sahen wir immer wieder leer stehende Häuser, die allenfalls in der Zeit der Ferien von den ausgewanderten Familien besucht werden. Zusammen mit den offensichtlichen Schäden des Krieges bot sich uns so ein teilweise tristes Bild, das aber an andern Stellen ersetzt wurde durch Neubauten und florierende Geschäfte. Ein scheinbar typisches Bild dieser Region.

Mit unserer Ankunft in Odzak hatte sich jedoch das Wetter schlagartig geändert. Es regnete nicht mehr, die Bewölkung lockerte auf und ab und zu ließ sich bereits die Sonne blicken, die dann bis zum Ende des Treffens unsere Begleiterin sein sollte. Im Laufe des Tages treffen dann auch die anderen Theatergruppen ein: Mladi Tuzle aus Tuzla, CEKOM aus Zrenjanin (Serbien) und das DIS-Theater aus Banja Luka.

Später, gegen Abend, fand die Eröffnung des Friedenstheaterbegegnung statt, bei der nach einigen Reden der Organisatoren der europaweit bekannte junge Schriftsteller Alen Meskovic, der aus Odzak stammt und aus Kopenhagen angereist war, uns sein Buch „Ukulele Jam“ vorstellte. Anschließend gab es eine kleine Diskussionsrunde über Freundschaft unter Kriegsfeinden. Danach ließen wir den Abend ausklingen, indem wir uns in Kleingruppen zusammen mit einigen einheimischen Schauspielern und Interessierten in ein nahegelegenes Lokal begaben und der Livemusik der Odzaker Band lauschten.

Am nächsten Tag, Samstag, der 21.09., Weltfriedenstag (!), starteten nach einem Einführ-ungsplenum zum Thema „Jugend in Europa“ dann die Theaterworkshops, in denen wir, gemischt mit den Schauspielern der anderen Gruppen verschiedene Performances zum Thema „Krieg und Frieden“ begannen zu entwickeln.
Abends spielte die Gruppen aus Tuzla ihre Theaterproduktion „Farm der Tiere“ nach George Orwell. Texteinblendungen in deutscher Sprache machten einen Nachvollzug der Aufführung für uns problemlos möglich. Die Aufführung stach u.a. durch ihre markanten selbstgebauten Masken hervor, die auch in der Werkstatt aus Tuzla Arbeitsgegenstand war.

Nachts ist dann das Konzert der in Bosnien-Herzegowina sehr bekannten Rockband „Zoster“ aus Mostar der Höhepunkt des „Tages“.

Am Sonntag, ist der Vormittag frei und nachmittags arbeiten die Workshops, parallel dazu gibt es dann für Kinder eine Theateraufführung im Kulturzentrum. Die Gruppe CEKOM aus Zrenjanin (Serbien) führt das Stück „Der Strand ist unser und Punkt!“ in Form eines Märchens auf. Abends spielte dann das DIS Theater aus Banja Luka Woody Allens „Gott“, dass wir aber leider, da wir des Serbo-Kroatisch-Bosnischen nicht mächtig sind, kaum verstehen konnten. Abends wurde vor dem Kulturzentrum Musik aufgelegt und alle tanzten auf der Straße.
Tags über fanden dann wieder die Begegnungen in den Werkstätten statt, die sich überwiegend bei schönen Wetter mitten in Odzak im Freien abspielten. Zur Aufführung gelangt am Abend dann das Stück „Der Schritt“, das im Rahmen des Projektes „Schalte das Licht an! Lebe nicht in der Dunkelheit!“ als Autorenproduktion von 13 Jugendlichen aus Zrenjanin entstanden ist. Hier dreht es sich oftmals um die alltäglichen Probleme der Jugendlichen, beispielsweise um Drogenkonsum, Bestechlichkeit oder dem Aufbau eines totalitären Systems in kleinem Maßstab. Texteinblendungen und viel Bewegungstheater machten uns das rasante Stück verständlich. Applaus, Applaus!

Einen weiteren Höhepunkt stellte die Abschlussveranstaltung am Dienstagabend dar, bei der, nach einer kurzen Ansprache des Bürgermeisters, alle Workshops ihre Performances präsentierten. Ein Workshop hatte sich mit der Produktion von Masken beschäftigt und diese zur Darstellung einer Kommunikation ohne Worte und somit ohne Sprachbarriere genutzt. Ein anderer Workshop hatte sich mit Vorurteilen auseinandergesetzt und stellte diese Vorurteile sehr überspitzt dar. Der letzte Workshop zeigte eine Performance über den Krieg und seine zerstörerischen und fatalen Ergebnisse. Hierbei wurde unter anderem mit dem Gedicht „Schtzngrmm“ von Ernst Jandl gearbeitet, das eine lautmalerische Illustration vom Leben im Krieg, besonders in den Schützengräben, vermittelt. Vorher bemalte Tücher mit Umrissen von Menschen und Namen von großen Schlachten weltweit dienten als Bahren und Leichentücher, auf dem Platz wurde es spürbar still.-

Abends wieder Tanz und Ahnung von Abschied, der am kommenden Morgen mit einiger Wehmut dann auch folgen sollte. Die Rückfahrt dauerte „nur“ 24 Stunden und wir waren im Linienbus lange unter uns und holten Schlaf nach.
(Tobias N.)